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Wie funktioniert die Trainer C - Fortbildung des JJVW im digitalen Format? Antwort: Ausgezeichnet!

Erstellt von Martin Weiss | |   News

Corona und die Einschränkungen zur Bewältigung der Pandemie wirken sich auf alle Bereiche des täglichen Lebens aus. Den kulturellen Bereich und den Freizeitsport trifft es als erstes und Lockerungen wird es hier voraussichtlich als letztes geben.

Das stellt Herausforderungen an jede/n Trainer/in und die Vereine als Ganzes, aber auch den Verband und die Frage, wie gehen wir mit dem Austausch und der Weiterentwicklung unserer Kampfkunst um?

Der JJVW hat sich entschieden, die Trainer C Fortbildung wie schon zuvor den Prüferlizenzlehrgang am 27./28. Februar 2021 im digitalen Format anzubieten und ich habe nun die Gelegenheit, als Teilnehmer darüber zu berichten.

Warum besuchen wir Ju-Jutsuka und Jiu-Jituka diese Fortbildungen? Für mich persönlich gibt es 4 Schwerpunkte:

  • Fachliche und trainingstechnische Informationen rund um das Ju-Jutsu/Jiu-Jitsu und die Trainingslehre als Impulse für meine Trainingsgestaltung.
  • Gemeinsames Training, um miteinander und voneinander zu lernen und mich selbst im JJ weiterzuentwickeln.
  • Austausch zu den Themen der Fortbildung, Erfahrungen aus anderen Vereinen.
  • Austausch mit den Sportkameraden untereinander innerhalb unseres Verbands und Pflege der bestehenden Freundschaften

Das der Besuch für die Verlängerung der Lizenz relevant ist, mag auch ein Grund sein, aber viele kommen nicht (nur) deshalb.

Die Inhalte wurden dieses Mal natürlich nicht im Gi und nicht auf der Matte vermittelt. Sind nun alle stundenlang stillgesessen und haben sich berieseln lassen – ein klares Nein!

Dem Part Neuroathletik und Functional Training widme ich etwas mehr Platz, da dieser für mich neu war und die Erkenntnisse quer zu allen Themen jedes Training inspirieren kann.

Neuroathletik und Functional Training

In den ersten Einheiten gab uns Thorben Reimer, Studienleiter und Lehrreferent des WLSB, einen Einblick in Neuroathletik und Functional Training. Von Beginn an haben wir daheim mitmachen können.

Thorben brachte zum Thema Neuroathletik einfache Übungen wie die Rumpfbeuge mit und jeder durfte mit­machen. Nachdem jeder seine Dehnfähigkeit im Kaltzustand ermittelt hatte, haben wir mit kleinen Interventionen wie der Zungenaktivierung gearbeitet und gleich an uns selbst die Effekte beobachtet.

Die Theorie ging unter anderem auf den Aufbau des Gehirns und die Verschaltung der Gehirnhälften ein. Ein für mich wichtiges Detail war, wie wenig „Rechenleistung“ das Gehirn in die aktive Steuerung von Bewegungen einsetzen kann, während der Großteil für die reflexive Stabilität benötigt wird.

Thorben brachte auch erste Einblicke in Tests mit, um z.B. Schwächen einer Seite zu identifizieren und um so Ansatzpunkte für Interventionen zu finden. Übertragen in der Anwendung im Training sehe ich hier z.B. das bewusste Trainieren von Techniken auf beiden Seiten oder gar das intensivere Training der „schwachen“ Seite, um langfristig Dysbalancen zu vermeiden.

Bei der Hierarchie der Bewegungssteuerung hat er uns vom propriozeptiven über das vestibuläre hin zum visuellen System geführt. Immer mit Beispielen, ich hoffe, dass alle mitgemacht haben. Elemente davon kennen wir als Koordinationstraining und haben es z.B. als Gleichgewichtstraining in unseren Einheiten integriert.

Im Kontext des funktionalen Trainings hat uns Thorben einen Überblick über die verschiedenen Gelenk­ebenen gegeben, eine Empfehlung für eine Reihenfolge im Aufwärmen ausgesprochen und auch an dieser Stelle einige Testverfahren mitgegeben. Z.B. wie gut ist die Sprunggelenkbeweglich­keit. Ist das für das JJ wichtig? Ein klares Ja.

Am Beispiel der Kniebeuge im Stand ist die Sprunggelenkbeweglichkeit ein limitierender Faktor für eine technisch saubere Ausführung und die erreichbare Winkelstellung im Knie. Ohne diese Beweglichkeit oder geeignete Anpassungen kann ein Training zu Ausweichbewegungen und damit zu starken Belastungen anderer Gelenke führen mit der Gefahr einer Schädigung.

Er legte die Bewegungspyramide auf und wir beschäftigten uns intensiver mit den Movements, grundlegenden Fähigkeiten und Fertigkeiten als Basis für alles andere. Wenn wir im JJ fehlerhafte Techniken sehen, ist der Trainer gefordert, an die Ursachen heranzugehen. Gegebenenfalls ist hier an den Grundlagen, die noch fern einer Kampftechnik sind, zu arbeiten. Mich erinnerte das an „saumäßige“ Stoppfußstöße, die ich gesehen hatte. Nachdem wir mit den Kindern 5 Wochen im Rahmen des Aufwärmens an der Fähigkeit, auf einem Bein stehen zu können, gearbeitet hatten, sah das Ganze schon deutlich besser aus.

Ju-Jutsu Fighting

Stefan Stöhr gab uns einen kurzweiligen Überblick über das Fighting-System, die verschiedenen Parts und die grundlegenden Regeln sowie die Punktevergabe. Hier zeigte sich der Vorteil des digitalen Formats. Die Videos von Meisterschaften konnten wir in aller Ruhe ansehen, auch wiederholt durchgehen und jeder in einer Qualität vor uns haben, die es in einem Seminarraum oder gar auf der Matte nicht gibt.

Die Herausforderung, die geeignete Kampfstrategie für unsere Athleten abhängig vom Kontrahenten zu entwickeln, brachte uns Stefan mit Gruppenaufgaben näher, in denen wir bestimmte Kämpferkombinationen bewerten und eine Strategie für unseren Athleten entwickeln sollten. Hier zeigte sich der zweite Vorteil der digitalen Form:

Digitale Gruppenarbeit in Breakout-Sessions: zufällig fanden wir uns in Gruppen zusammen und konnten uns hier austauschen. Die Gruppenbildung, das „Gehen“ in die Gruppe und das zurückkommen in die Gemeinschaft ging in Sekundenschnelle – zumindest für die TeilnehmerJ. Unsere Gruppenergebnisse konnten wir dann austauschen bzw. noch etwas verfeinern.

Mein Dank gilt hier unseren Kampfrichtern und aktiven und ehemaligen Kämpfern, die ihre Erfahrungen aus dem Wettkampfgeschehen gezielt eingebracht haben und uns (zumindest mir als Nicht-Kämpfer) ein plastischeres Bild vermittelt haben.

Duo Wettkampf

Als zweites Standbein unseres Wettkampfangebots ging Stefan auf das Duo-System ein. Verglichen mit dem, was ich aus den Anfangszeiten des Duo noch kannte, hat sich das System doch signifikant weiter­entwickelt. Die Angriffsserien wurden reduziert und der Spielraum bei den Angriffen wurde erweitert. Die Dynamik der Angriffssequenz (Pre-Attack) hat deutlich zugenommen und hat hier an einer „Realitätsnähe“ gewonnen.

Auch hier hat sich die Videoanalyse bewährt. Dazu hatte Stefan sehr gute Beispiele ausgewählt, um uns einen Eindruck zu vermitteln. Gerade daran konnten wir einen ersten Einblick in die Betonung und das Thema Tempo gewinnen. Schneller ist auch im Duo nicht automatisch besser – das richtige Tempo ist entscheidend.

Ein Take-away der Teilnehmer war, das Duo-Training neben der Perfektionierung der Technik und Herausforderung für engagierte Sportler auch den Vereinen bei Vorführungen oder Vorstellung der Sportart hilfreich ist.

Etikette

Das ist ein Thema, welches Hennes Meinikheim wichtig ist. Jeder der ihn kennt weiß das. Wir sind allerdings nicht mit einzelnen Handlungen beim Grüßen im Dojo eingestiegen, sondern mit generellen Fragen: Was bedeutet Etikette? Gibt es Etikette im Alltag? Welchen Zweck hat Etikette? Ausgehend von diesen sozialen und gesellschaftlichen Fragestellungen gingen wir zum Transfer in unseren Sport. Hier haben wir wieder in zufällig zusammengestellten Gruppen die Fragestellungen aus Sicht des JJ bearbeitet und die Ergebnisse im Plenum ausgetauscht.

Aus meiner Sicht haben folgende Themen und die dahinterstehende geistige Grundhaltung hier einen besonderen Platz eingenommen:

  • Die Bedeutung von „osu“
  • Der Gruß – rei
  • Die 12 goldenen JJ-Werte und Verhaltensregeln

Alle Teilnehmer waren sich einig: Ja, die JJ Etikette brauchen und wollen wir!

Kata

Ein weiteres Themengebiet ist die Kata. Hennes gab uns einen geschichtlichen Überblick unter anderem wie Wissen in der Vergangenheit überliefert und weitergegeben wurde und die Entstehung von Kata.

Bei den aktuellen Kata ist Hennes auf die für das Ju-Jutsu und für das Jiu-Jitsu relevanten Kata eingegangen. Hanbo ist m.E. noch im Fluss und hat auch im Anspruchsniveau einen anderen Stellenwert in der Ausbildung. Die Dan-Prüfer in Württemberg haben sich Gedanken gemacht, wie eine Kata oder freie Darstellung bewertet wird und Hennes hat uns durch die Kriterien geführt, die an den Prüfling und seinen Partner bei einer freien Darstellung oder Kata gelegt werden.

Sicherlich gibt es Sportler, die im Ju oder Jiu keine Kata lernen „müssen“, wenn sie bestimmte Dan-Graduierungen nicht anstreben. Das Angebot unserer Kata-Spezialisten ist es, dass jeder gerne an einem Kata-Lehrgang teilnehmen kann und dort an einer Kata arbeitet. Aus meiner Erfahrung ist das nochmal eine andere Erfahrung der Partnerarbeit und des Techniktrainings, welches sich vom täglichen Trainingsbetrieb in der Gruppe unterscheidet.

Fazit

Die Online Fortbildung war sehr gelungen. Ausgehend von meinen Zielen der Fortbildung war m.E. vollständig möglich:

  • Fachliche und trainingstechnische Informationen und Impulse – sogar zum Mitmachen
  • Austausch zu den Themen der Fortbildung, Erfahrungen aus anderen Vereinen. Die Teilnehmer konnten sich zu Wort melden und das wurde auch intensiv genutzt.

Was war nicht möglich:

  • Gemeinsam auf der Matte üben
  • Der Austausch beim Essen oder abends bei einer Schorle unter Freunden und Kameraden
  • Persönliche Themen zwischen zwei oder drei Personen – ok, es gibt auch Telefon.

Chancen des Online-Angebots:

  • Über 60 Sportler haben sich angemeldet und eingeloggt, waren konsequent über anderthalb Tage dabei – ca. die dreifache Zahl der Personen, die in Ruit teilnehmen können.
  • Es gab die Chance, sich nur zu einem oder wenigen Themen zuzuschalten à teilweise Teilnahme möglich ohne Anfahrtszeiten oder anderen den Platz vorzuenthalten.
  • Interessierte Trainer auch ohne Lizenz können (teilweise) teilnehmen à geringe Hemmschwelle und Chance für den „Nachwuchs“.
  • Bestimmte Themen können als eigenständiges Angebot ausgeschrieben werden. Hier hemmt die Anfahrt nicht. Über die Anrechnung solcher Angebote für eine Verlängerung wäre dann ggfs. zu diskutieren.

Was hätte ich mir gewünscht?

  • Die Break-Out Sessions waren sehr effizient, vielleicht wären ein paar Minuten mehr gut gewesen: Aufgabe bearbeiten und etwas Zeit für einen kurzen Austausch unter Sport­kameraden.

Vergleich mit anderen Fortbildungen

Ich kenne auch Übungsleiterfortbildungen, in denen eine Trainingseinheit gestreamt wird und jeder macht mit vor dem Bildschirm (kein JJ). Bei diesem Format hat mir der Input der Referenten, der Kontext und der Austausch mit den anderen Teilnehmern sowie deren Ergänzungen gefehlt.

Danke an Hennes, Stefan und die anderen Organisatoren

Ein grosses Dankeschön von mir an alle, die zum Gelingen der Fortbildung und der hohen Qualität beigetragen haben, speziell an Stefan und Hennes. Ich wage es, für die anderen Teilnehmer zu sprechen, dieses Bild kam aus dem Chat-Verlauf bei mir an.

Bis bald

Ich freue mich, Euch alle auf Lehrgängen und Präsenzveranstaltung wieder persönlich zu begegnen und fand diese digitale Variante gut. Das Bestes aus beiden Welten.

 

Martin Weiss,
3. Dan Ju-Jutsu
Trainer C Ju-Jutsu
Trainer B Breitensport Ju-Jutsu
Trainer A Breitensport Ju-Jutsu
Trainer C Breitensport Fitness und Gesundheit

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